Christoph Kivelitz

Hannes Kater – Der "Hey Now" Moment – eine Raumzeichnung

Rauminstallation – Wandinstallationen – Objekte – Zeichnungen, Dortmunder Kunstverein, 3.8. - 2.9.2007


Ankündigung auf der Website des Dortmunder Kunstvereins

Durch Zeichnungen verschränkt Hannes Kater spannungsvoll die Dimensionen von Fläche und Raum. Zum Teil werden sie direkt auf die Wand, zum Teil auf Styroporplatten gebracht, parallel hierzu aber auch per Overheadprojektor an Wand und Decke bzw. an die Raumobjekte aus Styropor geworfen. Um den Eindruck der Raumauflösung durch Raumüberlagerung zu erreichen, werden die Styroporplatten in Form der Zeichnungen geschnitten. Die Wand löst sich gleichsam ab, schwebt in den Raum hinein und entfaltet eine eigene Raumstruktur. Durch die Projektoren sind die Zeichnungen nicht nur real vorhanden, sondern darüber hinaus als immaterielle Struktur gegenwärtig, um in ihrer immateriellen Präsenz die Erfahrungen von Raum und Zeit zu verschränken. Dabei steht der technischen Ready-Made-Ästhetik und der an Computerzeichnungen erinnernden Bildsprache Hannes Katers die rein handwerkliche Fertigung dieser Raumzeichnungen gegenüber. Für den Dortmunder Kunstverein wird Hannes Kater eine neue, diese Ebenen verbindende Raumzeichnung schaffen. Die Ausstellung ist eine Kooperation mit der Stadt Ennigerloh, die dem Künstler 2006 den Albert-Stuwe- Kunstpreis für Zeichnung verliehen hat.

Hannes Kater (*1965 West-Berlin)


Katalogaufsatz:

An den Wasserscheiden des Denkens. Ein Versuch über die Verbindlichkeit der Zeichen.

"Kann man Denken zeichnen? Kann man zeichnend denken? Welche Prozesse finden wie und wo statt, wenn man denkt? 'Datenverarbeitung' – und nicht Signalübertragung und Signalspeicherung – bildet doch wohl den Kern der kognitiven Prozesse. Die für Rechenprozesse im logisch-mathematischen Bereich notwendigen Beziehungen verstehen wir heute recht gut, daher auch die erfolgreiche Computerentwicklung. Die Struktur semantischer Beziehungen aber, wie sie in der funktionalen und anatomischen Organisation unseres Gehirns verkörpert ist und uns auf andere reagieren und mit anderen durch Sprache und Verhalten interagieren lässt, wird erst langsam verständlich."

Absonderliche, in sich verschlungene Gebilde sind es, die Zeichnungen und Rauminstallationen von Hannes Kater. Man möchte sie eigentlich eher Systeme oder Organismen nennen, denen zwar eine narrative Komponente zugrunde liegt, die aber in erster Linie komplexe Zusammenhänge, Verkettungen von Figuren, Dingen und Zeichen, vielleicht gar chemische Reaktionen, physikalische Prozesse oder soziale Bezüge und Ordnungsmuster zur Anschauung bringen. Einzelne Elemente treten deutlich als Mikrostrukturen hervor: Gesichter, Gefäße, Gebäude, in denen sich Kraftzentren zu verdichten scheinen. Hieraus entfalten sich szenische Momente, polyzentrisch angelegt, durch Pfeile, Linienformationen, hieroglyphisch anmutende Zeichenstrukturen vielschichtig miteinander verknüpft. Es mag sich um eine Art Geheimsprache handeln, um einen visuellen Code oder einen wissenschaftlichen Parameter, der systematisch analysiert und entschlüsselt werden kann. In jedem Fall drängt sich dem Betrachter das Bedürfnis auf, einzudringen in das, was sich ihm als Rätselbild darstellt, um es damit auf eine begrifflich-logische Aussage zurückzuführen. Gleichzeitig erliegt er aber auch der Faszination der in ihrer Klar- und Einfachheit gleichsam pflanzenhaft oder organähnlich sich formenden Gebilde, als gestalte sich hier eine eigenwertige Wirklichkeit mit allein ihr inhärenten Gesetzen und Zielen, jenseits aller rationalen Zweckbestimmungen.

Der russische Philosoph, Priester und Mathematiker Pawel Florenskij (1882-1937) beschreibt in seiner Untersuchung "Denken und Sprache" das Zeichen als in erster Linie materiell und autonom. Wort und Bild versteht er als substantielle Dinge oder Prozesse, die ihre eigene Realität haben und auf den bloßen Ausdruck von etwas anderem nicht zu reduzieren sind. Die Befreiung der Worte und Bilder von inhaltlichen Bezügen ist zugleich Programm von Suprematismus und Konstruktivismus. Florenskij selbst erkannte schon die Nähe seiner Sprach- und Lebensphilosophie zu den Zielsetzungen der Künstler des Symbolismus, die im 19. Jahrhundert Rede als Schöpferisches aufzufassen, das Wort in jedem einzelnen Akt des Sprechens neu zu erschaffen suchten, dem Stil und der Natur jeder Sprache gemäß. Dieses ganzheitlich-organische Denken verstand Florenskij als notwendige Alternative zum begrifflich-logischen Denken der Wissenschaft und Schulphilosophie. Die Struktur seiner Vorgehensweise betrachtete er als Gewebe mit einzelnen Gedankenknoten, das auf "Blütenstände von Fragen" kaum Antworten zu geben vermöge:

"In diesem Netzwerk sind auch dem, der das Netz geknüpft hat, nicht sogleich alle Beziehungen seiner einzelnen Knotenpunkte untereinander deutlich und nicht alle möglichen wechselseitigen Verknüpfungen der gedanklichen Mittelpunkte: Auch ihm eröffnen sich unverhofft neue Wege von Mittelpunkt zu Mittelpunkt, die ohne die direkte Absicht des Autors durch das Netz schon angelegt sind."

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- Website von Hannes Kater