Christoph Kivelitz

Doreen Becker – Wandlungen

Rauminstallationen

Doreen Becker, 2008Ausstellung im Kunstverein Bochumer Kulturrat e.V., 09.08. – 05.09.2008. Kurator: Christoph Kivelitz.

Einführungsrede (Anfang):

Wandlungen – Doreen Becker

"Fast nichts", dieser Titel einer Ausstellung im Hamburger Bahnhof in Berlin kommt mir in den Sinn bei der Betrachtung der Installationen und Einzelwerke von Doreen Becker. In bewusster Selbstbeschränkung hat sie der Versuchung widerstanden, die vielfältigen und auch zahlreichen kleinen Ausstellungsräume im Kulturmagazin Lothringen mit einer Fülle von Formen und Materialien grundlegend in Beschlag zu nehmen, um vielmehr in pointierter Weise auf die vorgefundene Situation zu reagieren, sich in ihnen zu positionieren und sie hierüber ganz subtil zu verwandeln. Wandlungen – auf die Vielschichtigkeit dieses auch für den Ausstellungstitel gewählten Begriffs soll später noch zurückgekommen werden.

Im ersten Ausstellungsraum begegnet uns neben einer Reihe skizzenhafter Entwürfe in einer Vitrine das Instrumentarium und Formenvokabular der Künstlerin. Schon hier fällt auf, dass sie sich unter Ausschluss jeder farblichen Setzung grundsätzlich auf Schattierungen von Schwarz und Weiß bzw. deren kontrastierende Gegenüberstellung beschränkt. Doreen Becker verarbeitet Acrylfarben und Holzsplitter auf Leinwand. Weitere Arbeitsproben zeigen, dass sie als Bildgrund auch Plexiglasplatten wählt oder aber aus Silikon plastische Gebilde formt, um damit die Differenz von Bild und Grund schlussendlich auszuhebeln. Durch die Darbietung ihrer Arbeits- und Materialproben in einer Vitrine gewinnen diese den Charakter eines musealisierten Ergebnisprotokolls, das sich als Resultat einer Laboruntersuchung zum Zwecke der weiteren Auswertung betrachten lässt. Der Rahmen dieser Analyse ist allerdings nicht durch einen wissenschaftlichen Diskurs bestimmt, vielmehr allein durch das subjektiv vorgetragene Interesse an der Kategorie des Bildes und den Möglichkeiten, dieses in räumliche Inszenierungen einzubringen und hierdurch kategorisch zu verwandeln und zu erneuern.

Auf den ersten Blick können wir das künstlerische Werk von Doreen Becker dem Konzept der gestischen Malerei zuordnen. Farbspuren und -schlieren und darin eingearbeitete Holzpartikel geben der Leinwand eine schrundige, fast reliefhafte Oberfläche, die beim Betrachter neben der visuellen haptische Empfindungsweisen anregt. An dieser Stelle drängen sich bestimmte klischeehafte Deutungsmuster und kunsthistorische Konnotationen auf. Im Vertrauen auf hinlänglich kanonisierte Topoi der Moderne widersteht der Exeget nur mühsam der Versuchung, die Schubladen des psychischen Automatismus eines André Breton, des Action Painting eines Jackson Pollock oder etwa von Support-surface, einer in Deutschland vielleicht weniger bekannten konzeptionellen Künstlergruppe aus Frankreich aufzureißen, um damit ein Koordinatensystem des Vertrauten und längst Erkundeten zu errichten. Kaum würde sich uns damit die Originalität der Werke Doreen Beckers, die ihnen behutsam eingewobene Poesie angemessen erschließen. Bereits in diesem ersten Raum der Ausstellung fällt ins Auge, dass die Künstlerin ihren Untersuchungsgegenstand, das Bild und dessen Wandelbarkeit systematisch und konsequent verfolgt. Diese kritische Reflexion der Gattung des Tafelbildes zeigen etwa die tiefen Rahmungen, in die sie kleinformatige Bildobjekte schrein-artig einfasst, oder auch die kleinen Tüten mit Material- und Bildproben. Während hier die Oberfläche und Materialität ihrer Arbeiten zum Gegenstand der forschenden Betrachtung werden, verweisen die in Bändern ausgelegten bzw. auf einer Rolle aufgewickelten Formbeispiele auf die Möglichkeit der Transformation der flächenhaften, der Wand oder dem Boden aufgebrachten Bildsegmente zu einem Strukturelement, das in voller Ausdehnung den Raum gleichsam architektonisch zu gliedern und zu rhythmisieren vermag. Diese weitergehende Entwicklung des Bildes zum szenischen Versatzstück wird optional bereits in den über der Vitrine ausgestellten Entwurfsskizzen perspektivisch angerissen. Einem solchen, auf einer Rolle aufgewickelten Objekt ist durchaus auch eine humoristische Komponente eingeschrieben, verkauft es sich doch – wie ein Teppich, eine Tapete oder ein Stück Stoff – als Meterware, die hier offenbar vom Besucher der Ausstellung je nach Bedarf abgerissen und abgerechnet werden kann. Der auf Selbsterkenntnis und Bewusstseinserweiterung zielende Anspruch der Moderne wird hier gleichsam spielerisch ein wenig aufs Korn genommen.

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- Bilder aus der Ausstellung

link Website von Doreen Becker