Text von Dr. Christoph Kivelitz im Katalog
Zeitgenössische Bildende Kunst und Architektur im Dialog, 2005, Stadtgärtnerei Bonn-Dransdorf. Hrsg.: Elisabeth Montag Stiftung, Bonn. Rasch Druckerei und Verlag GmbH & Co KG, Bramsche, 2005.
Franka Hörnschemeyer erforscht räumliche Gefüge im Hinblick auf Bewegungen, Verhaltensweisen und Handlungsmuster, die durch diese bedingt werden. Hierbei versucht sie auch ihre jeweilige geschichtliche Dimension zu erkunden. Ausgehend von den Spuren aktueller oder früherer Nutzungen zieht sie zur weiteren Recherche Archivmaterialien oder Augenzeugenberichte hinzu. Der Künstlerin geht es darum, die vorhanden Bezüge durch Verdichtung, Kommentierung oder Verschiebung als raum-zeitliches Kontinuum zur Anschauung zu bringen und mit unterschiedlichen Ebenen der Wahrnehmung und des Bewusstseins zu verknüpfen. Vorgefundene bauliche Situationen werden ergänzt, verändert und neu definiert, um die innere Struktur und eine innewohnende Logik sinnlich erfahrbar werden zu lassen. Neue Raumzuschnitte, modellhafte oder labyrinthische Einbauten in gegebene öffentliche oder museale Räume sollen durch den Besucher begangen und durchschritten werden. Durch Irritation oder Verzögerung gewohnter Abläufe wird die Aufmerksamkeit auf gesellschaftliche, kulturelle oder funktionale Fragestellungen ausgerichtet. Die Künstlerin findet immer im Ort selbst den Ausgangspunkt für ihre Interventionen, in seiner Funktion, seiner historischen, gegenwärtigen und potentiellen Frequentierung durch Menschen. So wird Raum vor allem als dynamischer erlebbar, als eine Verbindung von Außen und Innen, Geschichte und Gegenwart, als zu besetzender, zu durchmessender Lebensbereich, der erst durch die mit ihm verwobenen Geschichten eine soziale Qualität gewinnt und in die Zukunft ausstrahlt.
Für das Gelände auf dem Dransdorfer Berg entwickelt Franka Hörnschemeyer eine bewegliche Raumkonzeption, die als eine Art Schleusensituation durch den Besucher zu passieren ist. Den Ausgangspunkt ihrer Arbeit bildet das noch bestehende Gerüst eines der nicht mehr genutzten Gewächshäuser, das sich durch eine klare Rasterstruktur auszeichnet. Ganz bewusst wählt sie für ihre Installation ein in Fertigbauweise, als sogenannter "Venlo-Block" errichtetes Nebengebäude, denn der in sich geschlossene Komplex der zentralen Gewächshausanlage stellt sich ihr als homogenes, nicht antastbares Gebilde dar. Die Verglasungen sind nicht mehr erhalten, so dass der ursprünglich gläserne Körper auf ein lineares Element reduziert ist. Das erhaltene Gestänge zeichnet sich dem Umraum ein, doch ohne Innen und Außen, damit eben auch unterschiedlich klimatisierte Zonen voneinander abzugrenzen. In diese noch erhaltene Struktur bringt Franka Hörnschemeyer eine begeh-bare Raumkonstruktion ein, deren mobile Wandelemente auf den Kontext des Gartenbaubetriebs Bezug nehmen: Die Künstlerin nutzt das am Schauplatz vorgefundene Material - Stoffbahnen unterschiedlicher Farbe (grün, orange, schwarz) -, um das bestehende Gerüst temporär und provisorisch neu zu nutzen und wieder als Architektur zu gestalten. Die aufgelesenen Abdeck- und Schutzplanen – Schattierungs- und Bändchengewebe – werden nach vertikalen Konstruktionsprinzipien an den Trägerelementen angebracht und als Raumteiler eingesetzt. Die Wandsegmente sind nicht fest eingefügt, sondern beweglich verankert, so dass sie die Reaktionsweisen der Besucher bei körperlich-taktilen Bewegungen aufnehmen, jeweils eine neue Position einnehmen und so permanent neue Orientierungen abverlangen. Es entsteht eine Interaktion zwischen der räumlichen Struktur, den Handlungsformen des Betrachters und der jeweiligen Stärke des Windes. Die eingebrachte Konstruktion bleibt prozesshaft o ffen, so dass der Besucher einen für ihn zunächst ungewohnten Umgang in der Begegnung mit Architektur findet.
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