Christoph Kivelitz

"Standbilder" für den Boulevard? Thomas Klegin - Round_About

Aufsatz im Katalogbuch (S.116 und 118) zur Ausstellung

und es bewegt sich doch… Von Alexander Calder und Jean Tinguely bis zur zeitgenössischen mobilen Kunst

Museum Bochum und öffentlicher Stadtraum von Bochum, 11.06. – 03.09. 2006.
Konzeption des Rahmenprogramms: Christoph Kivelitz und Matthias Schamp

Thomas Klegin, Round_About, 2006

 

Thomas Klegin wählt für seine Arbeit Round_About den Innenhof des Bochumer Rathauses. Wie ein majestätischer Renaissance-Palast gewährt dieses über eine Arkadenstellung Zugang in einen vollständig umschlossenen Innenhof, dessen symmetrische Gestaltung durch allegorische Brunnenfiguren und einen kapellen-artigen Vorbau an der Mittelfassade akzentuiert ist. Diese Hofsituation wird trotz der Nähe zu den Haupteinkaufsstraßen allein von Besuchern des Trausaales, der eben in diesem Vorbau untergebracht ist, sowie bei Flohmärkten, die einmal monatlich hier ausgerichtet werden, zum Schauplatz des öffentlichen Lebens. Ansonsten stellt er sich dar als ein etwas verwahrloster Ruheraum, dem durchaus urbaner Charme zu eigen ist. Für diesen Innenhof hat Thomas Klegin die Skulptur Round_About konzipiert. Da das Objekt zu breit ist, um die Arkadenstellung zu passieren, wird es vor Ort als kreisrundes Stahlrohr-Gitterkonstrukt mit einem Durchmesser von 375 cm und einer Höhe von 250 cm zusammen gebaut. Im Zentrum des aus 62 Rohrstangen montierten Rondells ist eine Spiegeldublette aus zwei Überwachungsspiegeln von 70 cm Durchmesser aufgehängt. Mit den Rückseiten zueinander sind diese, drehbar gelagert, auf einer lotrechten Achse montiert. Die in einem Abstand von 15 cm im Kreisrund angeordneten Rohrstäbe verwehren den Zugang in das Rondell. Der alternierend rot und weiß lackierte Gitterraumkörper steht auf vier Rundrohrkufen. Jeweils in einer Höhe von 100 cm sind insgesamt vier Rundrohrlaschen von je 35 cm Länge angebracht. Unter Einsatz von mindestens vier Personen kann das Objekt über die Traggriffkonstruktion zumindest potentiell an einen anderen Ort transportiert werden, wenngleich dies durch das Eigengewicht des Stahlgebildes extrem beschwerlich ist. Das Rondell umschließt einen bühnenhaften Raum, der gerade aufgrund seiner Unzugänglichkeit den Drang weckt, zu ihm vorzustoßen. Doch der Betrachter findet allein virtuell über die Spiegelung Einlass, wobei hierüber auch der nunmehr als Außenraum wahrgenommene Innenhof in diese Situation einbezogen wird. Das durchlässige Gitterwerk umschreibt ein Körpervolumen, das sich nicht klar umgrenzen lässt, dem vielmehr über die Spiegelung Umraum und Betrachter in ständig wechselnden Facetten eingeschmolzen sind. Im Umschreiten des Objekts vermitteln sich – wie in einem Vexierbild – immer neue Verknüpfungen von Innen- und Außenraum, Subjekt und Objekt der Betrachtung. Das Gitterwerk umreißt ein zylinderförmiges Gebilde, das jedoch nur idealiter klar definiert werden kann. In einem vielschichtigen Prozess werden die Betrachter-, Bildund Raumbezüge permanent neu generiert. Wahrnehmung und Vorstellung von Raum bewegen sich in einem oszillierenden Spannungsverhältnis, das die Kategorien des Gewussten und des Gedachten niemals ineinander aufgehen lässt.

Das Konzept des "Standbildes", das noch dazu - zumindest innerhalb dieses Innenhofes – einfach davongetragen und woanders wieder abgestellt, vielleicht sogar ganz woanders neu aufgebaut werden kann, gewinnt in der Interaktion mit dem Rezipienten eine zeitgemäße Qualität. Nicht als "Monument" stellt sich das Objekt Round_About dem öffentlichen Leben entgegen. Es zeigt sich vielmehr als eigentlich zweckund nutzloser Gegenstand, der doch gerade in seiner undefinierten Gegenwart – eher spielerisch denn funktional – einen Handlungsraum gestaltet.

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- Website von Thomas Klegin