Christoph Kivelitz

Thorsten Lehmann – Pfifferlinge und Autobahnen

Installationen – Zeichnungen

lehmann, pfifferlingeAusstellung im Bochumer Kulturrat e.V. (28. November 2001 – 11. Januar 2002).
Kuratiert von Christoph Kivelitz (Assistenz: Iris Heckmann).

 

Einführungsrede (Anfang):

Thorsten M. Lehmann – Pfifferlinge und Autobahnen

Die Arbeiten von Thorsten M. Lehmann gestalten sich in einem Prozess, der in einer Idee seinen Ausgang nimmt und in Paraphrasen und Mutationen einem offenen Ende zutreibt. Das Blatt stellt sich als Projektionsfläche dar, als Pinboard, an dem aufgefundene, erinnerte, ersonnene Bilder und Gesten gesammelt, fixiert und in neue Zusammenhänge gebracht werden, einer Laborsituation nicht unähnlich. Am Schreiben und Zeichnen interessiert Thorsten die Bewegung, das Erfahren von Linienverläufen und Richtungen, die Möglichkeit, ein und dasselbe Wort oder Gebilde immer wieder aufzunehmen, um Veränderungen, überraschende Wendungen aufkommen zu lassen.

Ein Teil der Ausstellung, im Keller des Kulturmagazins, besteht aus Relikten und Spuren des ‚inat'-Projekts, das Thorsten im vergangenen Jahr für das Museum am Ostwall in Dortmund entwickelt hat. In einem Zeitraum von zwei Tagen hat Thorsten in gleichförmiger Wiederholung den Boden eines Ausstellungsraumes in Ölpastellkreide mit dem Wort ‚inat' beschrieben. Der ritualisierte Vorgang des Schreibens wurde vom Eingang des Saales auf Videoband aufgezeichnet. Nach Abschluss der Arbeiten wurde an einem Ende des Raumes eine Holzkiste mit einem Fernseh- und Videogerät aufgestellt, um den Vollzug der Beschriftung in einem Endlosband zu dokumentieren und über die Aktion hinauszuführen. Die Besucher verwischten im Verlauf der Ausstellung mit ihren Fußspuren die ‚inat'-Beschriftung, die allerdings bis heute nicht gänzlich verblasst ist. Das Bedürfnis, das, was hier passiert war, genau zu erfassen und zu verstehen, führte letztlich zur allmählichen Auslöschung und Zerstörung der noch verbliebenen Spuren.

Das Wort ‚inat' wird, in endloser Wiederkehr dem Fußboden eingetragen, plötzlich vertraut, um in dieser Vertrautheit aber gerade seine Fremdheit und Nicht-Verständlichkeit, die Herkunft aus der serbo-kroatischen Sprache, zu offenbaren. Gleichzeitig wird uns der nur peripher zu umreißende, nicht adäquat zu übersetzende Sinn dieses Wortes (zum Trotz, trotzig sein, aus purem Trotz, hartnäckig bestehen auf) im Handeln des Künstlers einsichtig, entfaltet sich dieses doch in einer Trotzreaktion, in der Auflehnung gegen etwas nicht näher Bezeichnetes. ‚Inat' steht für eine Haltung der extremen Konsequenz, für die Bereitschaft, bis zum Äußersten zu gehen, bis zur Aufhebung allen Seins. Es geht um eine Form der Beharrlichkeit, die sich in allen Lebens- und Kulturbereichen äußern kann und insbesondere auch das Zwischenmenschliche betrifft.

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- Bilder aus der Ausstellung