Christoph Kivelitz

LiveSocks – Touristenversteck

Rauminstallation - Video

LiveSocksAusstellung im Dortmunder Kunstverein e.V., 24. Juni – 22. Juli 2005.
Kuratiert von Christoph Kivelitz.

Katalogaufsatz (Anfang):

In Filmen und Rauminstallationen schaffen Till Nachtmann und Stefan Silies eine Gegenwelt, die als Zerrbild die soziale Wirklichkeit widerspiegelt. Mit einfachsten Mitteln – Socken, Textilien, Fundstücken – formen sie als Teatrum mundi einen grotesken Reigen der unterschiedlichsten Charaktere, die als Handpuppen animiert, durch Sprache und begleitende Musik in szenische Kontexte eingebracht werden. Um sich in unsere gelebte Wirklichkeit zu infiltrieren, nutzen sie die Formate der Massenmedien, die Tagesschau, Lifestyle-Reportagen und Casting-Shows. In die vertrauten Inszenierungen dringen sie plötzlich und unerwartet ein, um das Geschehen zu kommentieren, durch unerwartete Reaktionen zu verfremden und allmählich grotesk zu verzeichnen.

In ihrer subversiven Methode, sich eine bestehende kommunikative Struktur zunutze zu machen, deren Wirkungsweisen nachzuvollziehen und dann gegen sich selbst zu richten, stehen LiveSocks dem Aktionskünstler Christoph Schlingensief durchaus nahe. Während die Socke ihre Ode an die augen- und ohrenlosen Würmer schwülstig vorträgt, werden die Sonnenstrahlen auf einem Parabolspiegel gebündelt, um auf sie zurückzufallen, sie anzusengen und schließlich sogar in Flammen aufgehen zu lassen. Das im Gedicht vorgetragene Sehnsuchtsmotiv scheint sich in der Vernichtung der Gestalt zu Asche zu vollenden.

Schon die Dichter des Symbolismus waren Schöpfer artifizieller Welten, die auf keiner Landkarte der Wirklichkeit eingezeichnet sind. Gegenstand der 'Fleurs du mal' von Charles Baudelaire ist zwar die Großstadt mit all ihren hässlichen Seiten. Der Dichter zeigt in seinem Werk auf, dass selbst das Scheußlichste und Profanste durch die Kraft der Kunst als schön erfahren werden kann. Doch gleichzeitig thematisiert er die Feindschaft und das Unverständnis zwischen Dichtung und Gesellschaft, um in einem elitären Gestus das Vergnügen als Lebensprinzip zu erwählen. Mit der Nützlichkeit verdammte er einen Eckpfeiler humanitärer Gesellschaftsordnung. Die Unterwerfung unter das Programm der modernen Industriegesellschaft empfand er als etwas Abstoßendes. Baudelaire wollte kein nützlicher Mensch sein, er hat sich gegen das Prinzip der Zweckmäßigkeit aufgelehnt.

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- Bilder aus der Ausstellung

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