Christoph Kivelitz

Irmgard Maurer – Straßen und Baustellen

Gemälde – Radierungen

Irmgard Maurer, AmpelkreuzungAusstellung im Bochumer Kulturrat e.V., 24. Februar – 24. März 2002.
Kuratiert von Christoph Kivelitz.

 

Informationstext für die Presse:

Irmgard Maurer – Straßen und Baustellen

Irmgard Maurer widmet sich in ihrem künstlerischen Schaffen nahezu ausschließlich zwei Themenbereichen: Straßen und Baustellen. Geläufig als Störung der alltäglichen Abläufe begriffen, sieht die Künstlerin in der Baustelle ein Sinnbild für Veränderung und Erneuerung. Im Prozess des Bauens findet Irmgard Maurer ein Äquivalent für den künstlerischen Gestaltungsakt. Die Straße stellt sich demgegenüber als Symbol für eine Bewegung dar, die zwar zielgerichtet verläuft, sich aber auch in der Erfahrung von Geschwindigkeit und Ungebundenheit erfüllen kann. Gegenstand des Bildes wird die Spannung zwischen dem je gewählten Standpunkt und Ausschnitt, als besonderer Ort ins Augenmerk gerückt, und dem Wissen um die eigentliche Bestimmung der Straße, doch gerade den Ortswechsel zu ermöglichen und so jede Örtlichkeit zwischen Anfangs- und Endpunkt der Bewegung auszulöschen.

 

Einführungsrede (Anfang):

Irmgard Maurer – Straßen und Baustellen

Eine Bildbetrachtung soll uns näher in die Bilderwelt von Irmgard Maurer einführen. Was sofort auffällt, ist die Tatsache, dass die Künstlerin auf die Darstellung von Menschen völlig verzichtet. Der Mensch, als potentieller Benutzer dieser Kreuzung, bleibt Betrachter, Außenstehender, Beobachter. Ihm bleibt es überlassen, sich in diese Verkehrssituation hineinzuversetzen, die Szene mit Leben zu erfüllen, sie zu beleben. Er kann assoziativ verschiedene Situationen durchspielen und sich ganz seinen Erinnerungen und Erfahrungen hingeben. Diese Spiel-Räume haben ein umfangreiches Spektrum, vom gemächlichen Spaziergang bis hin zum Unfall in jeder Spielart. Auch die Baustellen – ein Thema, das Irmgard Maurer in einer Vielzahl von Paraphrasen immer wieder umkreist – scheinen gleichsam wie von selbst vonstatten zu gehen. Während sich der Aufbau des Bildes aus Farben und Formen der nachvollziehenden eingehenden Betrachtung erschließt, vollzieht sich der Prozess des Bauens in einem Automatismus, dessen Antriebskraft und Zielsetzung unsichtbar bleiben.

Der die Ampelkreuzung im Vordergrund beherrschende Mast akzentuiert das vertikale Bildformat und bindet den Betrachter in das Bildgeschehen ein. Doch gleichzeitig scheint sich die vordere Raumbühne zu einer Art Wall zu erheben, um als Barriere die Differenz von Bild- und Betrachterebene zu vergegenwärtigen. Eine Tiefenwirkung vermittelt sich in erster Linie duch die Abfolge kleiner werdender Ampeln bis hin zu den fast schon miniaturhaften Baukränen, die den Horizont rhythmisch skandieren. Andererseits führen diese in ihrer sich nur schemenhaft konturierenden Gestalt eine zeitliche Dimension in das Bild ein, scheint sich doch auch hier über die angedeutete Bautätigkeit eine Veränderung anzubahnen, ein weiterer Eingriff in die natürliche Ordnung vorgenommen zu werden.

Ein zweites Phänomen fällt auf. Es bewegen sich keine Fahrzeuge auf dieser Kreuzung. Es gibt auch keine Hinweise auf irgendwelche Örtlichkeiten. Die Straße durchschneidet das Bild in leicht diagonaler Führung, ohne einen bestimmten Richtungsverlauf anzuzeigen. Die Straße erscheint nicht als Weg zu einem wie auch immer gearteten Ziel, eher schon als retardierendes Element, das sich flächenhaft dem Tiefenzug der vertikalen Bildkomponenten entgegenstellt. Dem eigentlichen Funktionszusammenhang entzogen, gerät die Straße fast schon zum Sinnbild für einen Stillstand, eine Störung in der gewohnten Abwicklung der Dinge, während die Bewegung in eine unbestimmte Ferne den eigentlich dynamischen Impuls in das Bild einbringt.

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- Bilder aus der Ausstellung