Ausstellung im Bochumer Kulturrat e.V. (13. Juli – 3. August 2001).
Kuratiert von Christoph Kivelitz.
Einführungsrede (Anfang):
Normalität ist alles, was nach den Richtlinien tanzt. Normen können statistischer, idealer oder funktionaler Art sein. Die statistische Norm ermittelt die Durchschnittsnorm und erfasst Abweichungen vom Regelhaften. Die ideale, sittlich-ethische Norm definiert einen wünschenswerten, als Ideal definierten Zustand und bezeichnet einen zulässigen beziehungsweise unzulässigen Verhaltensspielraum. Normalität beziehungsweise Abnormität bezüglich menschlichen Seins bezeichnet also zunächst keine objektiven Eigenschaften, sondern Perspektiven, mit denen jedes Merkmal zum Beleg von Normalität und Abnormität werden kann. Man könnte demnach sagen, Normalität bedeutet zunächst nichts anderes als die Abwesenheit von Abnormität und umgekehrt. Unter dieser Perspektive geht es um das uneingeschränkte Funktionieren im jeweiligen Sozial- beziehungsweise Gesellschaftssystem. Eine solche Normalität, verstanden als unreflektierter gesellschaftlicher Konformismus, geht von der Prämisse aus, dass Menschen, die sich im gesellschaftlichen Rahmen mehr oder weniger ähnlich verhalten, normal beziehungsweise gesund sind. Mit dem Begriff ist folglich die Anspruchshaltung verknüpft, mit der "normal" genannt wird, was die Bedeutung von "wünschenswert" hat und die Forderung nach Normerfüllung beinhaltet.
Unsere Träume und Phantasien sind zunehmend geprägt von der Vorstellung des "perfekten" Menschen. Fitnesswelle, immer neue Diätvorschriften, die rasante Zunahme kosmetisch-chirurgischer Eingriffe spiegeln dieses Streben. Es gilt, die Körper durch Zurichtung und Disziplinierung in eine ideale Kontur einzupassen. Ich kann für Aussehen und Gesundheit persönlich haftbar gemacht werden. "Körperoptimierung" und Uniformität sind die neuen Schlagworte. Gerade der weibliche Körper muss "ganz" und "schön" sein, um als sexuell attraktiv zu gelten.
Die Heftigkeit der Debatte über Geburtenkontrolle und Präimplantationsdiagnostik macht deutlich, dass sich das Menschenbild gegenwärtig in einem entscheidenden Wandel befindet und dass von verschiedenen Seiten an den Grundfesten des humanistischen Menschenbildes gerüttelt wird. Je mehr sich die Maschinen die Körper scheinbar untertan machen, um sie ihren eigenen Funktionsweisen anzupassen, und je mehr sich das tägliche Leben der Menschen beschleunigt und sie über die neu entstehenden Telegrafen- und Telefonnetze an die bis dato entfernte Welt angeschlossen werden, um so mehr wird der Körper zur Figur der Rettung. Schönheitsoperationen, Fitnesstraining und Diäten sind Teile eines neuen Körperkults, der die Thesen vom Verschwinden des Körpers durch die neuen telematischen Medien scheinbar Lügen straft. Die Auswirkungen neuer Technologien sind zugleich verheißungsvoll und grausam; sie versprechen uns Freiheit von körperlichen Zwängen und unterwerfen uns zugleich neuen Zwängen. Sie versprechen eine Erweiterung des Körpers und zeigen ihm gleichzeitig seine natürlichen Grenzen auf.
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