erschienen zur Ausstellung im Kunstverein Bochumer Kulturrat, 22.02. - 19.03.2008, und zur Verleihung des Kunstpreises Lothringen 2008 an Andreas Ren
Die Zeit scheint stillzustehen in den Fotografien von Andreas Ren. Städtische Orte auf der einen, Landschaftsräume auf der anderen Seite sind das Thema seiner fotografischen Arbeit. Fast immer sind die durch ihn erfassten Situationen menschenleer. In den wenigen Fällen, in denen ein Mensch aufgenommen ist, tritt dieser nicht als Akteur, handelnd und sein Umfeld bestimmend in Erscheinung, vielmehr als ein der Bildordnung eingefügtes, farbliches und formales Strukturelement. Die durch Andreas Ren fokussierten städtischen Orte sind solche, die zwar eine bestimmte Funktion erfüllen, Wartezonen, Rolltreppen, Parkhäuser, Brücken, Unterführungen, ein Waschsalon, in der alltäglichen Nutzung werden sie jedoch kaum als solche wahrgenommen, geschweige denn mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht. Andreas Ren legt in seinen Aufnahmen Wert darauf, dass die jeweiligen Orte sich gedanklich mit ihrem ursprünglichen Funktionszusammenhang verknüpfen lassen, um eben diese Funktionalität gleichzeitig auszuhebeln. Farbliche und formale Akzente sind dabei so aufeinander bezogen, dass jede weitere Veränderung als ein Eingriff von Außen grundsätzlich ausgeschlossen zu sein scheint. Es fügt sich eine bildimmanente Ordnung, die zwar die Alltagswirklichkeit in sich aufhebt, diese aber der Dynamik von Zeit und Raum und den üblichen Verhaltensmustern und Handlungsweisen entrückt.
Bei den Bildern des Zyklus Reibungslos... handelt es sich ausschließlich um Innenräume, die allerdings jeder Empfindung von Privatheit und individueller Prägung entgegenstehen. Indem sie eine aseptische Reinheit und Vollendetheit zur Schau stellen, sind alle Spuren menschlichen Handelns wie weggeblasen. Alle über die Bildgrenzen hinausweisenden Richtungsverläufe, Treppen, Rampen oder Schilder, werden durch die kompositorischen Bezüge wieder in die Bildordnung zurückgeführt, dadurch gleichsam in ihrem Bewegungsduktus zurückgenommen und retardiert. So gestaltet sich der Aufstieg aus dem Tunnel per Rolltreppe zum Perpetuum mobile, das nicht den Weg aus dem U-Bahn-Schacht weist, vielmehr den harmonischen Zusammenklang vertikaler, diagonaler und geschwungener Formverläufe anschaulich gegenwärtig werden lässt (Rolltreppe, 2001). So gelingt es Andreas Ren, funktional bestimmte Orte der Anonymität und Gesichtslosigkeit zu entziehen und ihnen völlig neue Eigenschaften zuzuweisen. Er wählt ein Motiv aus, das dann nach seiner Vorstellung einem Transformationsprozess unterzogen wird. Die so vorgefundene Situation versteht sich als Material, das aufbereitet und in einem Akt der Neuschöpfung einer anderen Realitätsebene zugeordnet wird. Andreas Ren zeigt auf, dass der städtische Raum weitestgehend durch Nutzungsstrukturen, Verweise und Gebote besetzt und damit selbstbestimmtem Handeln und individuellen Neigungen verschlossen ist. In den Bildern des Zyklus Reibungslos... spitzt der Fotograf die abweisende Kühle und hermetische Struktur des öffentlichen Lebens zu, um sie dann aber allen Verwertungsansprüchen und Kontrollinstanzen subversiv zu entziehen. So versteht sich die fotografische Aufnahme in dieser Weise als Intervention im öffentlichen Raum. Das nach praktischen Bedürfnissen geregelte und Notwendigkeiten unterworfene Konzept von Öffentlichkeit wird im Prozess der Bearbeitung und Veränderung durch ein Bild überlagert, das rational nicht mehr zu erfassen ist und sich schließlich allein einer persönlichen Wunsch- und Sehnsuchtsökonomie verdankt.
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