Ausstellung im Kunstverein Bochumer Kulturrat e.V., 19. Nov. 2010 – 16. Jan. 2011.
Kuratiert von Christoph Kivelitz.
Einführungsrede (Anfang):
Der Kulturkritiker Otto Karl Werckmeister hat für die moderne Industriegesellschaft den Begriff der Zitadellenkultur geprägt. Dabei versteht er das Wort Zitadelle als Metapher für eine Gesellschaft, deren künstlerische und intellektuelle Erfolgskultur durch eine stetige Abfolge von Krisen bestimmt ist. (...) Sicherheit – das Schlüsselwort der Zitadellengesellschaft.
Mit ihrer Videoinstallation Malta as Metaphor und dem danach entstandenen fotografischen Zyklus Magnify Malta findet die Medienkünstlerin Myriam Thyes ein Bild für die psychosoziale Verfasstheit der modernen Industriegesellschaft, so wie sie von Werckmeister in diesem Essay analysiert worden ist. Die Videoinstallation lässt den Betrachter vollständig in einen Kosmos aus Bildern und Klängen eintauchen. Die Präsentation als den Betrachter umfassendes Achteckpanorama, hier auf eine vierteilige Projektion reduziert, stellt diesen mitten in ein Zeiten und Räume durchdringendes, pulsierendes Geschehen. Aufnahmen aus der heutigen Realität, während eines mehrwöchigen Aufenthalts von Myriam Thyes auf Malta entstanden, werden durch einmontierte Symbolzeichen und historische Versatzstücke verfremdet und verschmelzen mit der historischen Dimension dieses für Europa bedeutsamen Ortes.
Dabei wird der Bilderfluss durch immer wiederkehrende Motive strukturiert und semantisch aufgeladen. Hierzu gehört das Symbol des Schiffes, das in unterschiedlicher Gestalt den Blick des Betrachters durch die auf ihn einströmenden Bilder geleitet und rhythmisiert. Zeitgenössische Passagierdampfer stehen neben Kriegsschiffen aus dem Zweiten Weltkrieg und zeichenhaft eingebrachten Galeeren aus der Epoche der Sklaverei. Das Symbol des Malteserordens verschränkt die politische Bedeutung mit der religiösen Geschichte der Insel, die bis in die Gegenwart durch einen tiefen Katholizismus geprägt ist. Hierfür stehen auch die in Alltagsmomente wie selbstverständlich eingefügten Heiligenfiguren oder auch die schemenhaft an einer Fassade aufwachsende Gestalt des Todes. Die Motive der Bewegung und des Glaubens werden des Weiteren aufgenommen durch die im Video vor Augen geführte Prozession, die Geschichte und Gegenwart in der Eindringlichkeit von Klang und Bild ineinander aufgehen lässt. Die Tiefe und Unerschütterlichkeit des Glaubens gewinnt die Qualität eines Beschwörungsrituals, das den Betrachter mit allen Sinnen gefangen nimmt und ihn gleichzeitig als nicht beteiligt ausgrenzt. Das Militärische in der Musik zu den Prozessionen erinnert aber auch an Feldzüge und Kreuzfahrten, die in der Verschränkung von Glauben und Macht ihren Ursprung finden.
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