Christoph Kivelitz

Judith Walgenbach

III. KunstSchicht auf Lothringen – versuchZukunft

Gruppenausstellung, Bochumer Kulturrat e.V., 10. August – 15. September 2006.
Kuratiert von Christoph Kivelitz.

Katalogtext:

Auf die Spuren von ATLANTIS, des untergegangenen Kontinents, begibt sich die in Hamburg lebende Künstlerin Judith Walgenbach. Der Begriff bezieht sich auf den faszinierenden Mythos, der in Platos historischem Bericht seinen Ausgangspunkt gefunden hat. Atlantis beschreibt ein Phänomen, an dem sich Philosophen, Freidenker und Wissenschaftler die Zähne ausgebissen haben, um die Existenz zu beweisen oder zu widerlegen. Im Streben des Menschen, die utopischen Ursprünge des Lebens neu zu ergründen, wird Atlantis zum Archetyp der harmonisch geordneten Sozialgemeinschaft. Judith Walgenbach bezieht sich auf mittelalterliche Illuminationen, die Platos Beschreibung von Atlantis – gleichsam als fiktionalen Augenzeugenbericht – verbildlichen sollten . Atlantis wurde als reale Größe der gelebten Wirklichkeit gegenüber gestellt, um als ideales Muster eine normative Qualität für die Umgestaltung der Gegenwart zu gewinnen.

Die Illustrationen zeigen Atlantis den Ausführungen Platos gemäß als Inselkontinent, auf dem kugelförmige oder schreinartige Architekturen – tempelartig isoliert – sozialen oder kulturellen Funktionsbereichen zugeordnet sind.

In einer Antizipation des neuzeitlichen "form follows function" scheint das äußere Erscheinungsbild funktional die jeweiligen Handlungs- bzw. Verhaltensweisen zu bestimmen. Die Objekte von Judith Walgenbach erweitern diese Darstellungen zu plastischen Körpern, um ihnen so eine zwar spielerische, doch konkret greifbare Gegenwart zu stiften und hierüber die Suggestion von Benutzbarkeit und Wirksamkeit zu verstärken.

Durch Perlen und kleinteiligen Zierat üppig dekoriert und buntfarbig gestaltet, gewinnen die Objekte den Charakter von Reliquienschreinen, in denen etwas Kostbares geborgen wird. Gleichsam magisch strahlt eine nicht zu spezifizierende Kraft nach außen aus. Aus Relikten unseres Alltags – Tand und Billigschmuck – schafft die Künstlerin seltsame Maschinerien, die in einer Miniaturwelt seltsame Rituale und Transformationsprozesse zu befördern scheinen. So geht es nicht allein um die Reaktualisierung der durch Plato und die mittelalterlichen Illuminationen tradierten Utopievorstellung, sondern darüber hinaus um die Frage, woraus diese Bauten ihre Macht beziehen und inwiefern diese auch für unsere Gegenwart relevant sein kann.

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link Website von Judith Walgenbach: www.judith-walgenbach.com