Christoph Kivelitz

Otto Dressler - Kunst als Provokation

Monografie, 2003

Dressler, BuchAufsatz in Künstlermonografie (Anfang):

Im Namen des Volkes … die Kunstaktionen des Otto Dressler zwischen Bürgerbewegung, Kreuzzug und Kriegsarchäologie

Ziel der Aktionskunst ist es, die traditionelle Reihenfolge in der Produktion von Kunst umzukehren. Der Gestaltungsakt gewinnt an Bedeutung gegenüber dem geschaffenen Objekt. Aus dieser Verlagerung entwickelt sich die Performance, die die Teilnahme des Publikums voraussetzt. Das performative Kunstwerk, gleichgültig ob es Happening, Performance-Kunst, Body art oder Aktion genannt wird, ist ein zeitgebundenes Ereignis. Erst die Gegenstände, die als Relikte aus diesem Prozess hervorgehen – eine in deren Verlauf entstehende Installation oder auch die Dokumentation in Fotografie und Film -, führen die Aktion über den Kontext der Darstellung hinaus und fordern dazu auf, sie in der Betrachtung unter veränderten Konstellationen nachzuvollziehen. Die Verlagerung im Verständnis dessen, was Kunst sein soll und zu leisten hat, weist in die Richtung eines neuen, freien Werk- und Kunstbegriffs. Im performativen Kunstwerk werden die Gedanken des Künstlers unmittelbar anschaulich. Denken wird sichtbar im Gestus oder in der Ausdrucksbewegung, die als Werk für sich selbst stehen, aber genauso sich in einem Kunstobjekt verdichten können. Durch diese Umwertung werden der künstlerischen Sprache Möglichkeiten erschlossen, verstärkt gesellschaftliche Verhältnisse aufzugreifen und neue Standpunkte zu besetzen. In diesem Zusammenhang ist die künstlerische Arbeit von Otto Dressler zu analysieren und in ihrer Eigenwertigkeit zu erfassen. Der selbsternannte "Verfremder" nimmt eine Hauptforderung der Kunstprogrammatik des zwanzigsten Jahrhunderts auf, derzufolge Kunst nicht als "illusionistisch abgehobene Scheinwelt, sondern als dem Leben bis zur Identität angenäherte[r] Prozess erscheinen" soll. Nicht das vollendete, autonome Werk steht im Vordergrund seines Einsatzes, sondern die Gestaltung als offenes Versuchsfeld, das zufällige Passanten produktiv am Entwurfsgedanken teilhaben lässt. Der Künstler ist der Agitator, der die Zuschauer bzw. Aktionsteilnehmer mit seiner Botschaft herausfordert und zwingt, im wechselseitigen Dialog Lösungsansätze für aktuelle Problemstellungen zu formulieren. Die Kunstaktion wird zum Testfall für die Bereitschaft der Öffentlichkeit, zu kommunizieren und sich auf Ungewohntes und Fremdes zu öffnen. Damit verfolgt Otto Dressler zwar einen der Hauptwege der modernen Kunst in der Suche nach neuen Inhalten, Formen und ästhetischen Wertungen und im Streben, beengende Gattungsgrenzen zu überwinden und Kunst und Leben unter gemeinsamen Gesichtspunkten zu verknüpfen. Doch gleichzeitig hat Otto Dressler hier eine durchaus eigenständige und unverwechselbare Position besetzt. Die Ursprünge seiner Laufbahn als Steinmetz in der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg verklärt er selbst – mit leicht ironischen Untertönen – zur Legende:

"Ich wollte in einem Kriegerdenkmal meinen Pazifismus zum Ausdruck bringen. Das Geschäft ließ sich glänzend an. Bald standen im Atelier des Herrn Dressler acht Gesellen, allesamt ehemalige Kunstschulkollegen. Der Boss des Unternehmens entwickelte eine Strategie, die rasch in gesunde Routine umschlug. Mit einer Art von Totalservice bediente die Bildhauertruppe Dörfer und kleinere Städte, und das ging etwa wie folgt vonstatten: Ich hatte gehört, dass die Gemeinde in A etwas für ihre Toten tun wollte. Ich fuhr hin und legte ihnen mein Material auf den Tisch. Eine kleine Kollektion von Entwürfen – für nahezu jede Gemeindeklasse – erleichterte die Wahl. Wir machten billige Angebote, um die Konkurrenz auszuschalten, und bald organisierte ich sogar die Programme für die Denkmalseinweihungen. Unser rheinischer Eulenspiegel schrieb schließlich die Kriegerdenkmal-Einweihungsreden für die Bürgermeister und wählte das vorzutragende Liedgut aus. Dann ging es ab in den Steinbruch, zum nächsten Auftrag. Maß nehmen, aufladen, abladen, schleifen."

(...)

link Den vollständigen Text als PDF herunterladen

link Ausstellung in Bochum 2001

link Website von Otto Dressler www.kunstplattform.biz/otto-dressler/main.htm