Christoph Kivelitz

Vom Bewegungsmythos zum Mythos der Bewegung. Der Zweite Futurismus und Propagandaausstellung des Faschismus in Italien

Aufsatz von Christoph Kivelitz im Buch zur Tagung von 2009:

ZUKUNFTSMUSIK ODER SCHNEE VON GESTERN? Interdisziplinarität, Internationalität und Aktualität des Futurismus.

 

Die Affinität des Zweiten Futurismus zum Faschismus ist bis in die Gegenwart ein höchst umstrittenes Thema. Dem eigenen Selbstverständnis des Futurismus zuwider, wird einerseits das Programm verfolgt, die Verquickung politischer und ästhetischer Fragestellungen zu lösen und damit die künstlerische Bewegung des Futurismus von jeder moralischen Betrachtung freizusetzen. Andererseits wird die futuristische Avantgarde geradezu als Antizipation der verschiedenen faschistischen Gruppierungen Europas gesehen, um damit die Ansprüche der Moderne grundsätzlich neu und kritisch zu bewerten.

Die Beschäftigung mit der wechselhaften Kulturpolitik des faschistischen Italien zeigt in jedem Fall, dass keine der miteinander konkurrierenden künstlerischen Gruppierung dazu ausgewählt wurde, die Ansprüche von Staat oder Partei exklusiv zu repräsentieren. Gerade der Wettstreit der Künstlergruppen untereinander um Aufträge und Anerkennung wurde zur Strategie eines Systems, das aus forcierter Konkurrenz seine innere Dynamik und Stoßkraft beziehen sollte. Die aufwändig inszenierten Propaganda-Ausstellungen zu gesellschaftlich relevanten Themen waren Ausdruck und Spiegel einer inszenierten und bewusst instrumentalisierten künstlerischen Vielfalt.


1. Mostra della Rivoluzione Fascista

Obgleich die Künstler dies Futurismus in besonderer Weise um politische Indienstnahme buhlten und sich weitestgehend mit der martialischen Rhetorik des Faschismus identifizierten, war deren Anteil an Ausstellungsprojekten der Dreißiger- und Vierzigerjahre überraschend gering. Die dramaturgisch wichtigsten Säle der Mostra della Rivoluzione Fascista, zum Decennale der Marcia su Roma 1932 in Rom eingerichtet und in den folgenden Jahren mehrfach neu konzipiert, nahm in ihrer Gestaltung zwar Grundprinzipien des Futurismus auf, die künstlerische Regie lag jedoch bei Künstlern des Novecento und des Rationalismus. Im begleitenden Katalog wurde die Propagandaschau als eine "großartige Symphonie" beschrieben, "deren erste Takte in die tragische Zeitspanne vom Juli 1914 bis Mai 1915 fallen" und deren "siegreicher Ausklang mit dem Marschschritt der auf den großen Heeresstraßen nach Rom ziehenden Schwarzhemden zusammenfällt". Als alles antreibende Kraft war die Gestalt des "Duce" herausgestellt: "Sein Gedanke, Sein Handeln, Sein Glauben, Sein Wille, Sein Geist sind es, in denen mit der Dynamik eines aufbrausenden ‚crescendo' Episoden und Figuren, Taten und Dokumente, Massen und Ereignisse vorüberziehen. Der Betrachter sah sich durch eine multimediale Rauminszenierung aus Dokumenten, Statistiken, Fotografien, Appellen und Losungen körperhaft in einen dynamischen Veränderungsprozess einbezogen. Der zentrale Saal der Ausstellung, "Saal des Jahres 1922" war gestaltet durch Giuseppe Terragni, der hierzu alle Möglichkeiten zu nutzen wusste, die der Futurismus zur Intensivierung und Dramatisierung der Erfahrung von Raum und Zeit bereitgestellt hatte.

Zwei keilförmig gegeneinander gestellte Wände brachten in ihrer wechselseitigen Durchdringung das Verhältnis des "Duce" zu den sich unter seiner Regie neu formierenden Massen spannungsvoll zur Anschauung. Als Sinnbild für den das Land bis dahin lähmenden Streik war die Spitze der zusammenlaufenden Wandsegmente durch ein Spinngewebe besetzt. Von diesem konturierte sich, als Inbegriff der sich in der "Marcia su Roma" vermeintlich vollziehenden Wiedergeburt, "eine schematische Gestalt, ganz aus Metallbändern, wirkungsvoll als Ausdruck von Kraft und Willen". Während das kantige Profil Mussolinis mit dem Kartenbild Italiens verschmoltz, wurde auf der gegenüberliegenden Wand die durch zum Gruß erhobene Hände repräsentierte, formlose Masse durch eine plastisch hervortretende Turbine erfasst und in drei Stufen zur faschistischen Ordnung des "popolo" umgeformt. Angestoßen durch den Rhythmus der Maschine und durch Wort und Bild Mussolinis, wurde der Einzelne auf das faschistische "Credo" ausgerichtet. Während dieser Saal in seiner bewegten, den Betrachter involvierenden Konzeption die Grundprinzipien des Futurismus aufnahm, schuf Enrico Prampolini, selbst der Gruppe des Zweiten Futurismus angehörig, für den "Saal des Jahres 1991" zwei Wandbilder, die vergleichsweise traditionell anmuten mussten.

Die Darstellung von Arditismus und Futurismus und der Schlacht der Via Mercanti verband silhouettenhaft ausgeschnitten Figuren mit abstrakten Bildstrukturen zu formelhaften Posen, die eine unspezifische Gefühlslage des Heroischen und Leidenschaftlichen vermitteln sollten: "Diese beiden Bilder des Malers Prampolini haben wohl zwei geschichtliche Ereignisse zum Gegenstand, aber sie wollen nicht das ‚Ereignis', sondern die Atmosphäre jener Zeit zeigen, das Drama der Ideen und die Begeisterung, die in der Verschlungenheit der Linien und im Spiel der Farben versinnbildlicht wird." Es ging nicht darum, den Besucher emotional in eine Umsturzsituation hineinzuversetzen und diese damit zu vergegenwärtigen. Ziel war vielmehr, Vorgänge und Begebenheiten aus der Formierungszeit des Faschismus durch eine Bildkomposition im Stil des Futurismus als Gründungsmythos zu etablieren und damit – durch eine Einrahmung gefasst – gleichzeitig aber auch deren historische Abgeschlossenheit zu behaupten.

Die Dramaturgie der Mostra della Rivoluzione fascista zielte darauf, die antagonistischen Leitbilder des Faschismus, der "rivoluzione in marcia" und der "romanità" aufeinander zu beziehen und als grundlegende Kategorien des Systems zu etablieren. So folgte auf den von Terragni gestalteten "Saal des Jahres 1922" die durch Adalberto Libera und Antonio Valente als Pantheon gestaltete "Gedächtnishalle der Märtyrer". Die Hingabe an das faschistische "Credere, obbedire, combattere" verband die Besucher und die namentlich bezeichneten "Märtyrer" der Bewegung in der Hoffnung auf Unsterblichkeit in der Idee der "romanità" und des Vaterlandes. Die Figur des Todes sollte den Gegensatz von Aktionismus und Kontemplation einer scheinbaren Versöhnung zuführen.

Die Säle des oberen Stockwerks waren dem Ausstellungsrundgang als Ausblick in eine Gegenwarts- und Zukunftsperspektive angehängt. Künstler des Futurismus sollen hier die soziale und wirtschaftliche Umgestaltung zur Anschauung bringen und hierüber gleichzeitig das Fortschreiten der "rivoluzione in marcia" suggerieren. Publio Morbiducci zeichnete hier etwa ein Bild der im Ausland lebenden Italiener als Missionare eines neu erwachenden "Impero". Enrico Prampolini, Gerardo Dottori und Antonio Santagata gaben in gigantischen Bilddiagrammen eine Vorschau auf die dynamische Aufbauarbeit des faschistischen Regimes. Hier erweist sich die funktionale Indienstnahme der verschiedenen künstlerischen Bewegungen durch das faschistische System. Um Sicht- und Verhaltensweisen des Rezipienten zu steuern, wurden – ganz im Sinne einer modernen Gestaltpsychologie – bestimmte Stilkategorien genutzt, dann aber durch den Kontext der Gesamtinszenierung dem propagandistischen Ziel subordiniert.


2. Mostra del Naturismo in Piemonte

Während im Fall der Mostra della Rivoluzione Fascista die Initiative vom PNF ausging und entsprechend die Parteiprogrammatik im Vordergrund der Dramaturgie stand, übernahmen Vertreter des Futurismus mit der Mostra del Naturismo in Piemonte, im Jahr 1934 in Turin durchgeführt, die gesamte Organisation. Die Planungen zu dieser Ausstellung verbanden sich mit der im selben Jahr durch Marinetti formierte Bewegung des "Naturismo", die über internationale Kongresse in Mailand, Genua und Turin die Öffentlichkeit suchte. Das Programm spiegelte den chauvinistischen Patriotismus Marinettis, so das der ursprünglich antizivilisatorisch und lebensreformatorisch gefasste Begriff der Körperkultur eine militaristische und technizistische Qualität gewann. Neben gesundheitspolitischen Themen wie der sportlichen Ertüchtigung, Problemen des Geburtenrückgangs oder der gesunden Ernährung wurden Perspektiven der Stadtgestaltung, der Industrialisierung der Landwirtschaft und des Kolonialismus aufgeworfen, um damit die realpolitische Anwendbarkeit futuristischer Programmatik unter Beweis zu stellen. Für die Ausstellung wurden die Säle des Turiner Palazzo della Promotrice delle Belle Arti radikal umgestaltet, um so den Prozess einer gesamtgesellschaftlichen Erneuerung anschaulich werden zu lassen. Der Ehrensaal als Auftakt des Rundgangs war dem Afrikafeldzug vorbehalten, um so die koloniale Expansion als Voraussetzung und Ursache einer das gesamte Land erfassenden Wiedergeburt herauszustellen. Die Stirnwand des über eingezogene Decken- und Wandelemente in drei Schiffe geteilten Saales beherrschte altargleich eine "plastica murale". Ein organisches Formgebilde, umschrieben als "pulsierendes Herz der Nation", fasste hier eine Relieffigur ein, die, einer ihr zur Seite gestellten Parole Mussolinis getreu, die Metamorphose vom Soldaten zum Bauern ins Werk zu setzen schien. Silhouetten marschierender Soldaten und Siedler an den Seitenwänden des Saales fanden in dieser symbolisch verknappten Bildkomposition ihren ideellen Bezugspunkt. Eroberung und Sieg stellten sich dar als Bedingung für den zivilisatorischen Auftrag, die "wilde und feindliche Natur in eine einladende, einträgliche und an Straßen und unendlichen Möglichkeiten reiche Natur" zu verwandeln.

Die sich anschließenden Sektionen der Ausstellung bereiteten die zentralen Programmpunkte des Naturismo in szenischen Arrangements auf. Bildliche Zeichen und plastische Versatzstücke verflochten sich zu den Raum durchdringenden Strukturen, die die Vision einer sich aus gegensätzlichen Kräften gestaltenden, neuen Ordnung vermitteln sollte. Im Rekurs auf die ureigenen Topoi des Futurismus geriet die Abteilung des Tourismus zur "Schwärmerei über die technischen Transportmittel, die es erlauben, die Luftkurorte zu erreichen, die die ermüdenden Reisen beseitigen, die erweiterte Landschaftserfahrung aus der Höhe und in der Geschwindigkeit verschaffen". Es flossen aber auch Anregungen aus der rationalistischen Architektur ein, beispielsweise in der Darstellung der landwirtschaftlichen Organisationen und des "Naturismo in der Stadt". Die beiden Abteilungen waren komplementär aufeinander bezogen, um auf einer symbolischen Ebene die Versöhnung der Gegensätze von Stadt und Land zu antizipieren. Die Mechanisierung und Rationalisierung der landwirtschaftlichen Produktionsabläufe vollzogen sich im Bild ineinander greifender Zahnräder, die als kompositorisches Zentrum der gestaffelt vortretenden Wandkompartimente den Prozess der Beschleunigung und Leistungssteigerung visualisieren sollten. Für das Idealbild einer offen gegliederten, durchlüfteten Stadt standen freistehende, rhythmisch aufeinander bezogene Gitterwände. Es folgte mit dem "Saal des demographischen Problems" ein kapellenhaft in sich geschlossener Raum, der in einer Losung des "Duce" ihren ideellen Bezugspunkt fand: "Die Frau steht der Mutterschaft gegenüber wie der Mann dem Krieg." Über ein den Saal umfassendes Diagramm wurde den Maßnahmen gegen Geburtenrückgang – als "Ausdruck und höchste Zielsetzung des Naturismo" – die Bedeutung einer den Fortbestand der italienischen "razza" sichernden Schlacht gegeben.x Hier wurden die Leitmotive des Futurismus und die des Faschismus ineinander kurzgeschlossen.

In den folgenden Ausstellungseinheiten wurde demgemäß darauf abgehoben, den Gleichschritt futuristischer und faschistischer Leitbilder unter Beweis zu stellen. Der Saal der Erziehung veranschaulichte den Weg der Jugendlichen von sportlichen über paramilitärische Massenorganisationen bis zur Eingliederung in die Armee. Die durch Sockel gegliederte Raumflucht symbolisierte "die Straße, die sie von der Wiege in die Reihen der Miliz führt, von einer Organisation in die nächste". Auf in den Raum vorkragenden Sockeln ragten in gestaffelter Reihung Körpersilhouetten auf, die im Sinne futuristischer Bewegungsdarstellung einen Ablauf nachzeichnen ließen. Der zeitlichen Auffächerung des Raumes korrespondierte an der gegenüberliegenden Wand ein orthogonales Rahmenwerk mit Photographien militärisch gefasster Jugendverbände. Bindeglied zischen dem impulsiven Streben, sich sportlich zu ertüchtigen und dem Bild faschistischer Ordnung und Disziplin war ein den Saal durchziehender Segelflieger als Inbegriff des faschistischen Heldenkults und des durch die Futuristen verkündeten Vorstoßes in die vierte Dimension. Ausstellung und Kongress boten den Futuristen ein Forum, ihren Anspruch auf die Rolle als "novatori" erneut zu behaupten, verlorenes Terrain wieder zu besetzen und zudem einen Führungsanspruch in der Gestaltung von Propagandaausstellungen zu gesellschaftlich relevanten Fragen zu verteidigen.

In dieser Zielsetzung sind die Futuristen jedoch offenbar gescheitert, denn mit der Ausstellung trat die Bewegung des "Naturismo" bereits letztmalig öffentlich in Erscheinung. Auch die Zeitschriften Stile Futurista und La Forza wurden eingestellt. Das Bestreben, "der Bevölkerung eine eneuerte Lebensweise vorzustellen, ihr anzuzeigen, welche Wege zu verfolgen und welche Ziele zu erreichen seien", erfüllte sich zwar, denn immerhin flossen die zentralen Punkte des "Naturismo" in das Programm des PNF ein. Doch das Experiment, sich als künstlerische Vereinigung autonom außerhalb des Systems zu bewegen, gleichzeitig aber im Entwurf visionärer Konzepte politisch und gesellschaftlich eine Position als ideologische Speerspitze des Faschismus zu besetzen, schlug fehl.


3. Weitere Propagandaausstellungen

In den folgenden Jahren spielten Künstler des Futurismus in der Organisation von Propagandaausstellungen eine nur noch marginale Rolle. Es lassen sich zwar durchgehend futuristische Verfahren in Ausstellungsszenarien nachweisen, doch der engere Kreis aus der Gruppe der Futuristen trat gegenüber denen des Rationalismus und des Novecento deutlich in den Hintergrund. Die Mostra del Naturismo fand in den Medien deutlich weniger Resonanz als die Mostra dell'Aeronautica Italiana, 1934 in Mailand unter Federführung von Giuseppe Pagano initiiert, die in der Fachpresse als "kleine Schwester der Mostra della Rivoluzione Fascista" hoch gelobt wurde. Letztlich gelang es aber keiner der künstlerischen Kräfte, die angestrebte Monopolstellung zu besetzen. Der PNF nahm 1937 die Organisation der wichtigsten politischen Ausstellungen selbst in die Hand und bestimmte dann auch Konzept und Auswahl der Künstler. Gleichzeitig rückte allerdings der Topos des "neuen Menschen", so wie er der Programmatik der Bewegung des Naturismo zugrunde lag, ins Zentrum der agitatorischen Parteiarbeit.

Hierfür steht in besonderem Maße die Mostra nazionale delle colonie estive e dell'assistenza all'infanzia, 1937 in Rom auf dem Gelände des Circo Massimo installiert. Es galt, die fortschreitende Erfassung der Gesellschaft durch die faschistischen Massenorganisationen mit dem Ziel der körperlichen Ertüchtigung und Gesundung der "razza" vor Augen zu führen und voranzutreiben. Die künstlerische Leitung lag bei Cipriano Efisio Oppo. Entwerfende Architekten waren Adalberto Libera, Mario de Renzi und Giovanni Guerrini. Der Gegensatz zwischen der pittoresken Ruinenkulisse und den in der nüchternen Sprache des Rationalismus errichteten Pavillons sollte die Idee der Wiedergeburt der "romanità" zur Anschauung bringen. Gläserne Sockel, fragile Pfeiler und weiße Fassadenverkleidungen entsprachen dem Programm, die Architektur weitestgehend zu entmaterialisieren und ihr eine moralische Aussage – im Sinne der Erneuerung – einzuschreiben. Doch auch Methoden des Futurismus und des "Novecento" wurden instrumentalisiert. Das Motiv der Wiedergeburt fand sich so etwa auch in einem Relief über dem Eingang in den Pavillon der Opera Nazionale Maternità e Infanzia, in diesem Fall im Rekurs auf die christliche Marienikonographie. Der Gegensatz von konventionellen und modernen Darstellungsmitteln sollte die Besucher auf die mögliche Versöhnung von Vergangenheit und Gegenwart in einer imperialen Zukunft ausrichten. Am Ende des Rundgangs durch die Ausstellung wurde demgegenüber der Topos der "rivoluzione in marcia" – und hierüber auch das dem Futurismus zugrunde liegende Bewegungsmotiv – wieder aufgenommen. Während am Eingang in das Gelände dem monumentalisierten Parteizeichen eine Quelle zur Seite gestellt war, so wand sich durch die langgezogene Halle am Ende des Rundgangs ein "Lebensstrom" als Sinnbild für die in paramilitärischen Parteiorganisationen mobilisierte faschistische Jugend. Bildtafeln mit Zitaten Mussolinis flankierten die mäandernde Bewegung des Wasserbandes. Eine Analyse der Ausstellung im Hinblick auf die künstlerische Programmatik ist in diesem Fall nicht mehr angebracht.

Stilmittel und Verfahren dienten nicht mehr der Artikulation einer künstlerischen Identität, die sich in einer gesellschaftlichen Mächtekonstellation zu positionieren suchte, waren vielmehr ausschließlich durch parteipolitische Richtlinien bestimmt. Im Rückgriff auf Gestaltungsprinzipien des Futurismus inszenierte der PNF sich als "centro-motore" des faschistischen Systems und als Antriebskraft der "rivoluzione in marcia". Futuristische Verfahren und Motive wurden instrumentalisiert, um die Machtansprüche der Partei zu artikulieren und einer Radikalisierung des Systems Vorschub zu leisten. So verfolgte die Partei in Bezug auf die kulturpolitischen Kontroversen eine Strategie der Aneignung und der Unterwerfung unter den eigenen Herrschaftsanspruch.

Das offene und immer neu ausbalancierte Konfliktverhältnis zwischen einer Vielzahl gesellschaftlicher, politischer und kultureller Interessensgruppen trat schrittweise hinter der sich zuspitzenden Konkurrenz staatlicher und parteilicher Organe zurück, so dass auch die Künstlergruppen kaum noch Wege fanden, sich über ihre gestalterischen Konzepte in die Ausformung des Systems aktiv einzubringen und hierüber ihre eigenen Ansprüche auf gesellschaftliche Partizipation zu artikulieren. Nach 1937 waren es weniger Künstlergruppen als vielmehr Einzelkünstler, hierbei in besonderem Maße Enrico Prampolini, die in Propagandaausstellungen weiterhin ein zentrales Aktionsfeld fanden. Wenn auch mit anspruchsvollen künstlerischen Mitteln, resignierten sich diese letztlich darauf, die durch die Auftraggeber diktierten Propagandaaussagen in szenisch-räumliche Bilder zu übersetzen.

 

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