Christoph Kivelitz

ARTUR KLINOW - Straw EmpireArtur Klinow, Straw Empire

Text von Dr. Christoph Kivelitz im Katalog

LASST UNS 3 HÜTTEN BAUEN

Zeitgenössische Bildende Kunst und Architektur im Dialog, 2005, Stadtgärtnerei Bonn-Dransdorf. Hrsg.: Elisabeth Montag Stiftung, Bonn. Rasch Druckerei und Verlag GmbH & Co KG, Bramsche, 2005.

 

Aus vergänglichem Material, bevorzugt aus getrocknetem Stroh, schafft Artur Klinow Bauformen und architektonische Versatzstücke, die bestimmte Epochen und einen hiermit verknüpften Bedeutungskanon und Symbolzusammenhang zitieren. Er zielt hierbei auf die Widersprüchlichkeit zwischen einer auf Ewigkeit angelegten abendländischen Kultur und deren Verfall, der zwangsläufig durch die Einwirkung der Witterung eintreten wird. Durch die Aufnahme einer altehrwürdigen Tradition reflektiert der Künstler eine Situation des gesellschaftlichen Umbruchs, so wie er sich krisenhaft in seiner Heimat Weißrussland vollzieht, ebenso aber auch - vor dem Hintergrund der Globalisierung - im gesamtgesellschaftlichen Kontext der Länder der Europäischen Gemeinschaft und der Vereinigten Staaten spürbar werden kann. Seine Kunstprojekte wurzeln oftmals im schwarzen Humor und zielen auf eine dezente Umformulierung von rigiden, scheinbar unumstößlichen Wertvorstellungen. In seinem Kunstprojekt "Weltliteratur-Bar" füllt er beispielsweise Repräsentanten der Weltliteratur als Asche in einer satirischen Aktion in Flaschen ab: Goethe, Nietzsche, Marx, Heidegger, Schlegel oder Freud. Die als "Geistesgrößen" in ein Pantheon entrückten Schriftsteller und Philosophen werden hier gewissermaßen "eingekocht", um so auch die Erstarrung und Verfestigung des Begriffs der "Kulturnation" vor Augen zu führen.

Auf einer erweiterten symbolischen Ebene setzt Artur Klinow sich mit der Problematik von Tod und Vergänglichkeit in einer tragikomischen Weise auseinander. Gleichsam spielerisch ersinnt er eine poetisch anmutende Situation des Niedergangs, um mahnend einzuwerfen: "Die Perspektive des Tragischen und Hoffnungslosen wird uns niemals befreien." Hoffnungslosigkeit und Endzeitsehnsucht entgegnet er mit der Persiflage: "Der Dämon Angst wird vom Engel des Lachens besiegt."

Für das Gelände der ehemaligen Stadtgärtnerei inszeniert Artur Klinow eine ortsspezifische "Verkommenheitsromantik". Er verwandelt das nicht mehr genutzte Areal in eine parkähnliche Anlage mit Ruinenelementen. Hierüber nimmt er Bezug auf die romantische Konzeption der Ruinenlandschaft als Projektionsraum für persönliche Sehnsüchte und Erinnerungen. Die aus getrocknetem Stroh geformten Architekturrelikte, Amphoren und Figuren-Torsi lassen antike Versatzstücke assoziieren und richten so das allmählich verwildernde Grundstück auf persönliche Fantasien und Assoziationen aus. Gleichzeitig verändert sich hierüber auch die Wahrnehmung der noch vorhandenen Gerüstkonstruktionen der Gewächshäuser, die plötzlich ihrerseits eine ästhetische Ausstrahlung gewinnen. Der Betrachter evoziert imaginär eine Gartenbaukultur, die in der heutigen Zeit zwar auf die eher nüchterne Pflege des Stadtraums ausgerichtet ist, aber idealiter durchaus noch in der barocken Tradition der Parklandschaft wurzelt. Über die Verknüpfung antikisierender Zitate und funktional bedingter Strukturen setzt Klinow behutsam eine Bedeutungsverschiebung ins Werk. Vorgefundenes gewinnt eine metaphorische Bedeutung, die die rein funktionale Sichtweise der Gegenwart auf vieldeutige Qualitäten öffnen mag.

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- Abbildungen der Ausstellung

- Website von Artur Klinow (Klinau)