Christoph Kivelitz

Interleaving Moments – Andrea Klosowski und Qi Yang

Andrea Klosowski

Christoph Kivelitz in: Andrea Klosowski – Qi Yang. Interleaving Moments. Ausstellungskatalog Fördergesellschaft zeitgenössischer Kunst mbH (Hrsg.), Essen, 2011.

Andrea Klosowski (*1964 in Bochum-Wattenscheid)
Qi Yang (*1952 in Wuhu, China)


Wo liegt der Zusammenhang zwischen den künstlerischen Werken von Andrea Klosowski und QiYang? Wenn wir vom Lehrer-Schülerin-Verhältnis absehen und formale Kriterien bemühen, so scheint – zunächst einmal ganz oberflächlich betrachtet – eher ein gegenläufiger Weg eingeschlagen worden zu sein, sind doch die Werke von Andrea Klosowski in erster Linie durch Farb-Form-Beziehungen geprägt, während QiYang in seinen Objekten und Malereien figurative und gegenständliche Bildelemente zusammenführt. Auch im Hinblick auf die Materialien gibt es keine direkte Übereinstimmung, beschränkt sich erstere doch auf die Verwendung von Japanpapier, Bindemittel und Acrylfarben, wohingegen letzterer eine Vielzahl von Fundstücken, Gegenstandsrelikten und Körpern in seine Montagen einbringt. Eine Berührung zeigt sich offenbar auf einer anderen Ebene, und zwar im Hinblick auf die Herangehensweise an das Bild, das sich einem intuitiv gesteuerten Prozess verdankt und eine komplexe Gemengelage von Gefühlen und Gedanken zur Anschauung bringt.

Bevor wir das Verhältnis von Lehrer und Schülerin weiter untersuchen, sei jedoch eine ganz grundsätzliche Frage erlaubt. Was ist überhaupt ein Bild? Wie sehen und begreifen wir ein Bild? Im geläufigen Verständnis ist es der Rahmen, der – gewissermaßen wie der Sockel die Skulptur – ein Werk zum künstlerischen erhebt und damit dessen Bildwürdigkeit herausstellt. Doch das ist ja letztlich nur eine äußerliche Betrachtungsweise. Eine Zeichnung oder eine Malerei kann ja auch ganz lapidar per Tesafilm oder Heftzwecke an die Wand gebracht werden, ohne den Status einer künstlerischen Schöpfung damit unbedingt einzubüßen. Im Gegenteil ist es ja sogar so, dass das Werk ohne Rahmen eine sehr viele größere Freiheit im Sinne von Offenheit und Möglichkeit in sich birgt. So ist also bei der Betrachtung dieser Frage ein anderer Zugang zu finden. Ein Werk lässt sich als Bild erfahren, wenn auf dem Untergrund in irgendeiner Form ein Geschehen, ein Prozess oder auch eine Begegnung befördert ist. Dies kann bereits durch die ganz einfache kürzelhafte Setzung einer Linie vonstattengehen, einer Linie, die dazu auffordert, weitergedacht zu werden, die den weißen Grund und die Begrenzungen des Blattes als Spannungsraum definiert, die raum-zeitliche Dimensionen anschaulich werden lässt. Komplexer wird es, dieses Geschehen zu beschreiben, wenn mehrere Faktoren zusammenfinden, wenn malerische Elemente hinzukommen, Farbe und perspektivische Andeutungen, oder gar Fragmente einer Bilderzählung. So umfasst das Bild als Möglichkeitsspektrum eine Variationsbreite von der unbehelligten Leere des Bildgrundes bis hin zur elaborierten fotografischen Darstellung. Es ist also nicht in erster Linie der Kontext, in dem ein Werk gezeigt wird, der dieses als Bild qualifiziert, sondernder künstlerische Prozess, in dem dieses entsteht, wie auch die Betrachtung durch den Rezipienten, die diesen schöpferischen Akt in der Anschauung nachvollzieht und damit zur weiteren Entfaltung bringt.

Wie ist nun dieser künstlerische Prozess zu erfassen? Liegt diesem eine vorformulierte Vorstellung und Ordnung zugrunde, die dann eine Umsetzung erfährt? Oder geht der Künstler bzw. die Künstlerin von einer bestimmten Empfindung aus, für die ein Erscheinungsbild als sichtbares Äquivalent gefunden wird? Oder ist es nicht die Wirklichkeit selbst, an die im Sinne von Abbildlichkeit eine Annäherung angestrebt wird? Sind diese drei Modelle nicht vielleicht gleichermaßen zu verwerfen, um den künstlerischen Gestaltungsakt zu charakterisieren? Sind diese Auffassungen gar nicht so gegensätzlich und sich wechselseitig ausschließend, wie es zunächst erscheinen mag? In jedem Fall geht jede künstlerische Handlung von den gleichen Komponenten aus: Die Leere des Blattes verbindet sich mit den zu verarbeitenden Materialien in Anwendung einer bestimmten künstlerischen Methode, die wiederum in der Umsetzung durch die Gefühls- und Gedankenebene sowie weitere nicht vorherzubestimmende Einwirkungen eine Beeinflussung erfährt. Dies mag banal klingen. Ist es mit Sicherheit auch, denn der künstlerische Gestaltungsprozess ist letztlich nichts anderes als eine Form der Kommunikation und der Äußerung eines Individuums, wie ja auch Sprache, Musik oder Tanz.

Vor dem Hintergrund dieser Banalität drängt sich nun die Frage auf, wie sich künstlerischer Ausdruck überhaupt im Lehrer-Schülerin-Verhältnis weitergeben lässt. Es geht ja nicht um die Vermittlung von Wissen, von Inhalten und Botschaften, allenfalls um die Lehre einer bestimmten Technik oder Methode, was die künstlerische Fertigkeit betrifft. Wichtiger und grundlegender ist vielmehr die Bereitschaft der Schülerin, dem Leben und damit der künstlerischen Arbeit in einer Haltung von Offenheit und Freiheit gegenüberzutreten, sich solchermaßen einem Geschehen, einer Begegnung oder einem Dialog gleich welcher Ausprägung nicht zu verschließen.

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