Christoph Kivelitz

Gordan Nikolić – Inkubation

Gordan Nikolic, Einladungskarte 2003Malerei – Zeichnungen – Objekte

Ausstellung im Bochumer Kulturrat e.V., 4. April – 3. Mai 2003. Kuratiert von Christoph Kivelitz.

 

Informationstext für die Presse:

Inkubation ... medizinisch: Einnisten eines Krankheitserregers im Körper … antik: Schlaf an heiligen Stätten, um göttliche Offenbarungen oder Heilung von Krankheiten zu erlangen; lat.: "incubatio", das Liegen auf den Eiern, das Brüten … Kunst: Die Welt infizieren (im Sinne des medizinischen Verständnisses): falls der Künstler die Welt mit seinen Möglichkeiten infizieren möchte, dann muss man schon ganz schön vorsichtig sein, sowohl als Künstler als auch sowieso, denn für einen Künstler hält sich doch jeder; Künstler, die sich in der Inkubationszeit befinden, befürchten einen Ausbruch, gucken und warten, was passiert ist, auch eine zukunftsträchtige Position ... (Roland Högele)

In seiner künstlerischen Arbeit verfolgt Gordan Nikolić das Fortwirken symbolischer Strukturen aus den verschiedenen Religionen, so wie es sich in Glaubensvorstellungen, gleichermaßen aber auch in der Populärkultur bewahrt hat. Tradierte Bildformen, wie etwa die Ikone, Zeichen und Farbkonstellationen fordern zu bestimmten Verhaltensweisen der Andacht und der meditativen Sammlung auf und sind Voraussetzung für die Ausbildung von Hierarchien. Indem symbolische Ebenen in Bewegung und in neue Ordnungen eingebracht werden, werden auch die entsprechenden Machtkonstellationen außer Kraft und in Auflösung versetzt. Sakrale und weltliche Sinngebungen offenbaren Ähnlichkeiten und Schnittstellen und fordern in dieser Annäherung zu einer skeptischen Haltung auf. Die Recherche von Gordan Nikolić fördert immer neue Symbole zutage und entreißt diese dem Vergessen, um sie in der Verbindung mit dem scheinbar ganz Banalen herabzusetzen, hierüber aber auch ihre latente Wirksamkeit ins Bewusstsein zu führen. Die Ausstellung gestaltet sich zur Gesamtinstallation, die den Betrachter in das Fließen der Bedeutungen und Assoziationen einbezieht. Im Blick auf einen sich in Symbolen und Ornamenten eingrabenden Geschichtsverlauf gestaltet sich Verständnis für gegenwärtige Entwicklungen und Einsichten in Zukünftiges.

Die Fassungslosigkeit angesichts des Zerfalls, dem der ehemalige Vielvölkerstaat Jugoslawien preisgegeben ist, weicht in dieser Auseinandersetzung der Auflehnung gegenüber jedem kulturell oder religiös geprägten Chauvinismus. Die Bilder, Objekte und Raumgestaltungen von Gordan Nikolić führen nicht die Gleichschaltung der jeweiligen religiösen und weltlichen Ordnungs- und Deutungsmuster vor Augen, vielmehr deren Gleichwertigkeit. Allein deren Verknüpfung vermag ein Bild der Wirklichkeit in ihrer Komplexität zu vermitteln.

 

Einführungsrede:

Gordan Nikolić – Inkubation

Das Fortwirken symbolischer Strukturen, so wie es sich in Bildern des Glaubens, der Macht und Ordnung, sicherlich aber auch in der Populärkultur verdichtet, das erscheint mir Gegenstand der Arbeit von Gordan Nikolić zu sein. Die Bezüge von Einzelelementen zu neuen Zusammenhängen sind auch das zentrale Thema von Claude Lévi-Strauss. In seinem grundlegenden Werk "Das Wilde Denken" spricht der Strukturalist von einer Form der Tätigkeit, die sowohl auf technischem Gebiet, ebenso aber auch im Bereich wissenschaftlicher Forschungsarbeit zu fruchtbaren Ergebnissen führt. Für diese Methode prägt Lévi-Strauss den Ausdruck "bricolage", zu Deutsch Bastelei. Gemeint ist ein ungebundenes, von Regeln und Gesetzen frei gestelltes, zielloses und umherschweifendes Denken und Wirken. Wie ein "bricoleur" umkreist Gordan Nikolić die Frage nach dem Bild. Was ist ein Bild? Wie wird ein Bild wahrgenommen? Wo kommen Bilder her? Wie lassen sich Ursprünge und Wege von Bildern nachzeichnen? Welche Verhaltensweisen werden durch Bilder bestimmt? Ist das Bild als Abbild, Spiegel, reine Fiktion, konkrete Erscheinung oder als Abdruck im Sinne des orthodoxen Verständnisses der Ikone zu verstehen? Welcher Grat trennt Bild und Schrift? Wie ist das Verhältnis von Ornament und Bild? Sind Wappenzeichen oder Emblemata als Codierungen dem Bild oder der Schrift zuzuordenen. Wappenzeichen sind ja auf bestimmte Dynastien, Oden oder Einheiten bezogen, um staatliche, nationale, soziale oder religiöse Identitäten zu begründen. Doch wo liegt die Wurzel für die Verknüpfung von Bezeichnendem oder Bezeichnetem?

Zeichen der Offenbarungsreligionen Islam, Judentum und Christentum stehen im Zentrum der Arbeiten des Künstlers, dessen Eltern dem einstmaligen Vielvölkerstaat Jugoslawien entstammen: die Mutter ist slowenischer, der Vater serbischer Herkunft. In seinen Bildern und Objekten stellt er diese Symbole ins Spannungsfeld national-religiöser Identität und Aggressivität gegenüber Andersgläubigen. An Schauplätzen der Vergangenheit und Gegenwart von Krieg, Religionskämpfen und Gewalt findet er diese Zeichen auf und vermittelt ihnen Allgemeingültigkeit.

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