Christoph Kivelitz

Monika Ortmann - Rote Schuhe

Ausstellung im Bochumer Kulturrat, 09.07. - 21.08. 2005

Monika Ortmann, Rote SchuheText im Katalog Rote Schuhe, 2. erweiterte Auflage, 2009

Monika Ortmanns Arbeit zeichnet sich dadurch aus, dass sie beständig die verschiedensten Dinge sammelt und als Ready-mades in räumliche Situationen einbringt, seien es Plastikflaschen, ausgestanzte Teile von Pizzakartons oder eben Schuhe. Jedes dieser Objekte trägt Spuren des Gebrauchs und erzählt uns - bei eingehender Betrachtung - Geschichten. Die hier zusammengebrachten Schuhe verraten uns beispielsweise etwas über deren ehemalige Nutzerinnen, über deren Größe, Geschmack und Lebensstil. Ausgetretenes, schlaffes Leder zeigt etwa an, dass die jeweiligen Schuhe durch häufiges Tragen und stetiges Laufen abgenutzt wurden. Noch verfestigte, gut erhaltene Formen führen uns dagegen vor Augen, dass die Besitzerin nicht unbedingt dem Zu-Fuß-Gehen zugeneigt war. Hohe oder flache Absätze, spitze oder abgerundete Formen, offene oder geschlossene Typen geben Aufschluss auch über ganz persönliche Einstellungen und die Art und Weise, sich in der Öffentlichkeit als Frau zu präsentieren.

Die Schuhe unterschiedlichster Ausführung sind hier allerdings durch die rote Einfärbung vereinheitlicht und auf eine gemeinsame Ebene gebracht. Durch diese Vereinheitlichung und ästhetische Überformung sind sie gleichsam auf eine museale Ebene verrückt. Jede weitere Veränderung ist damit vorerst zum Stillstand gebracht. Jeder einzelne dieser Schuhe ist über einen gleichermaßen roten Faden an einen den Raum beherrschenden, übergroßen Haken angebunden. Es handelt sich um ein Relikt der ehemaligen Zechenanlage Lothringen, das uns die schwere körperliche Arbeit, durch Männer verrichtet, in einem Sinnbild vor Augen führt. Diese Verspannung in drei unterschiedlichen Ebenen vermittelt den Eindruck, die Schuhe würden zentrifugal ausstrahlen, gleichsam in einem Sternmarsch vorwärts drängen und den Raum in seinen verschiedenen Dimensionen in Beschlag zu nehmen. Die Anbindung an den Haken scheint sie zurückzuhalten und sie gleichzeitig energievoll anzutreiben.

Die straff gezogenen Fäden bilden ein Netzwerk und damit eine für die Installationen von Monika Ortmann sehr typische Struktur. Immer wieder schafft die Künstlerin Netzwerke als Sinnbild für Abhängigkeiten und Gebundenheiten, doch auch für eine Stärke, die sich aus der Verbundenheit und Gemeinsamkeit vieler Einzelner bezieht. Fäden, die den Raum durchziehen, visualisieren darüber hinaus aber auch Erinnerungen, Gedanken, Bildern, die sich mit bestimmten Dingen verknüpfen: "Wir alle sind ständig mit solchen Prozessen des ,Fäden- Ziehens' beschäftigt: bilden neue Verbindungen von Gedanken, Erinnerungen und Phantasien, bilden Schwerpunkte, Verdichtungen, verlieren manchmal auch einen Faden. [ ... ] So betrachtet entwirft die Künstlerin ein Modell der Verflechtung der Strukturen in Vergangenheit, Gegenwart -und auch der Zukunft." (Reinhard Lättgen)

Bei der Farbe Rot denken wir ja gleichermaßen an Liebe wie an Feuer, Blut, Sexualität, Aggression, Provokation und an vieles mehr. An Gutes, an Böses - an Wünschenswertes, an Angsterfülltes. Rot als Symbolik der Erneuerung, des Zugrundegehens und des Wiederauferstehens zieht sich durch viele Jahrhunderte. Rot war immer die Herrscherfarbe. Die Farbe derer, die den Mut hatten, alte, überkommene Strukturen umzustürzen und damit neues Bewusstsein schufen. In keiner anderen Farbsymbolik ist das Gegensatzpaar Anziehung - Abstoßung so stark beinhaltet. Und wie keine andere Farbe unterliegt Rot in der Geschichte der Menschen, der Gesellschaft, so vielen Wandlungen als Symbolträgerin. Diese Dynamik und Bedeutungsoffenheit wird eindringlich zur Anschauung gebracht.

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Website von Monika Ortmann