Christoph Kivelitz

Christoph Rodde. 3x -1

Ausstellung im Bochumer Kulturrat, 28.04.-25.05. 2002. Kurator: Christoph Kivelitz.

Christoph Rodde (*1968 in Arnsberg)

Einführungsrede

Jeder sammelt irgend etwas. Sammeln ist offensichtlich ein grundlegendes Bedürfnis, bereits bei Tieren und schon gar beim Menschen. Vor aller bewussten Reflexion der Eindrücke und Dinge organisiert der menschliche Blick sein Wahrnehmungsfeld. Er versammelt Verstreutes zu Gruppen oder zusammenhängenden Gestalten. Sammeln ist materialgewordenes Assoziieren. Ist es dem Sammelnden wichtiger, Vergangenes zu erinnern und zu dokumentieren oder Vorräte für die Zukunft anzulegen? Oder geht es immer um beides zugleich? Alles Sammeln ist in gewisser Weise das fortlaufende Bemühen, damit fertig zu werden, dass Zeit vergeht und in diesem Kontinuum einen Sinn zu finden. Hierzu werden die unterschiedlichsten Modelle gefunden, seien diese mythischer, religiöser oder wissenschaftlicher Art. Alle halbwegs dauerhaften sozialen Gebilde - Vereine, Firmen und öffentliche Institutionen - sammeln, gründen Archive, Bibliotheken, Museen, Ruhmeshallen und Ähnliches. Sammeln hat nicht nur etwas Behütendes, sondern das Anhäufen von Vorräten und Schaffen von Lagern ist in gewisser Weise auch Ausdruck von Angst. Dabei gilt die Sorge nicht nur dem Verlorenen und zu Erinnernden, sondern auch dem zukünftig Ungewissen.

Auch im Atelier des Künstlers sammeln sich Skizzen oder Gegenstände, die vielleicht irgendwann in eine Arbeit münden. Die physische und symbolische Verwandlung des Gegenstandes, seine Metamorphose, spielt hierbei eine wichtige Rolle. Christoph Rodde sammelt nicht das Besondere, sondern gerade das ganz Banale, das erst durch sein Sammeln und die neuen Zusammenhänge, in die es gebracht wird, eigentümlich wird.

In zwei Kellerräumen sowie in der Haspelstube des Kulturmagazins Lothringen hat Christoph Rodde seine Installationen eingerichtet. Er hat sich in mehrfachen Besuchen zunächst mit der Lokalität und ihrer Geschichte auseinander gesetzt, sich allmählich auf die Atmosphäre der Räume eingelassen, um diese schließlich durch subtile Veränderungen und Eingriffe behutsam zu verfremden. Der Künstler nimmt sich in seiner Arbeit bescheiden zurück. In Dingen, die ihm rein zufällig oder in einer bewussten und systematischen Recherche in die Hände gefallen sind, die er gesammelt und geordnet hat, verdichten sich die vorgefundenen Verhältnisse. Gleichzeitig setzt Christoph Rodde neue Akzente; er schafft Stimmungen und Handlungsspielräume. Es handelt sich um temporäre Eingriffe mit Materialien, die vergänglich und äußerst fragil sind, daher selbst wiederum Prozessen unterliegen und hierüber die zeitliche Dimension dieser Räume vergegenwärtigen. Kleine, alltägliche Dinge aus seinem persönlichen Umfeld, Pflanzliches und Mineralisches, Abfall oder Fundstücke aus den Bereichen der Kunstgeschichte, mythisch geprägte und ganz profane Bilder werden zusammengeführt, verknüpft und zu Rätselbildern verschlüsselt. Christoph Rodde ist an den Dimensionen, am Verhältnis von Zeit und Raum sowie an deren Veränderbarkeit interessiert. Seine Installationen sind Ausdruck einer Recherche, in der Beziehungen und Gegensätze, sich anziehende und abstoßende Kräfte offenbar werden. Semantische Ebenen, Symbole und Zeichen verschachteln sich zu unerwarteten Konstellationen. Assoziativ werden Bilder erweckt, Spuren von Handlungen, Erinnerungen, Räume scheinen sich zu verlebendigen, gewinnen eine kommunikative Bedeutung und öffnen sich dem Betrachter.

Christoph Rodde hat für seine Installation im Kulturmagazin Lothringen Räume ausgewählt, die kaum die für eine Ausstellung übliche Neutralität bieten, vielmehr Reaktionen oder Stellungnahmen von Seiten des Betrachters einfordern und sich nur widerständig seinem Gestaltungswillen fügen. Es handelt sich eher um Durchgänge oder Leerstellen inmitten einer durch permanente Um- und Anbauten immer wieder aufgerissenen, ständig neu definierten und im Laufe der Zeiten weitestgehend vernutzten Architektur. Es vermittelt sich zwangsläufig eine Erfahrung von Enge und drängt sich die Frage auf, wie diese Orte überhaupt sinnvoll zu handhaben sind und welche historische Bedeutung mit ihnen verknüpft ist. Unbehagen kommt ebenso auf wie ein Gefühl der Neugier.

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Website von Christoph Rodde